Im Dezember 2021 war ich kurz vorm Durchbrennen. Morgens im Meeting sind mir die Tränen gekommen. Ich realisierte, dass mein bevorstehender Tag eine Katastrophe werden wird: Viel zu viele Termine, zu viele Aufgaben und keine Zeit, um Luft zu holen, mich vorzubereiten oder mal 5 Minuten nachzudenken. Selbstbestimmtheit war nicht mehr existent.
Nicht nur ich war Opfer meines Kalenders geworden, sondern sehr viele um mich herum in der TAM. Das Tagesgeschäft dominierte unseren Terminkalender und Deep Work fand faktisch nur noch bei der Flucht ins Homeoffice oder außerhalb der normalen Arbeitszeiten spät abends oder am Wochenende statt. Mal geht das, aber auf Dauer ist sowas eine gefährliche Nummer.
Also: Let’s change that.
Inspiriert von dem TED Talk von Jason Fried, dem Buch „Deep work“ von Cal Newport und dem Grundprinzip der Selbstverantwortung haben wir daher in der TAM vor 12 Monaten (im Januar 2022) den “Deep Work Tuesday” eingeführt.
Hier das Briefing ans Team:

WHY
Wir wollen die Kontrolle über unseren Kalender zurück.
Ein komplett voller Kalender, der keine Luft zum Atmen lässt, ist weder nachhaltig produktiv noch besonders cool oder erstrebenswert. Ganz im Gegenteil: Er ist gefährlich und zerstört deine Selbstbestimmtheit, deine Kompetenz, die richtigen Dinge richtig zu machen, verhindert Deep Work und führt zu Überstunden, weil viele Dinge, die wichtig sind, an den Rand deiner normalen Arbeitszeiten verschoben werden. Und irgendwann müssen sie schließlich passieren.
Wir wollen durch mehr Deep Work noch produktiveres Arbeiten ermöglichen.
Produktivität leidet, wenn wir ständig unterbrochen werden und somit während der Arbeitszeit nicht vorankommen und unsere Aufgaben nicht fertig bekommen. Tunneln aka Flow oder auch Deep Work ist nur möglich, wenn wir über eine längere Zeit ohne Unterbrechung arbeiten können. Flow ist häufig aufgrund von Meetings, E-Mails, Anrufen, kurzen Zurufen und Fragen fast nicht machbar. Denn: wenn ich auch nur für ein Minütchen aus meinem Tunnel herausgerissen werde, brauche ich locker ganze 10-15 Minuten, um in meinem Thema wieder auf Touren zu kommen.
Wir möchten selbstbestimmter und effizienter werden.
Wir wollen besser werden im ganz persönlichen Zeit- und Selbst-Management. Um Deep Work zu üben, brauchen wir Zeit, die wir selbst gestalten und verantworten. Wenn mein Tag von Meetings und Ablenkungen dominiert wird, bin ich fremdbestimmt und nicht im Driver-Seat für meinen Tag. Wenn wir wochenlang nur von Meeting zu Meeting springen, verlernen wir das eigenständige Priorisieren und Abwägen. Wer nur mit Navi fährt, kann irgendwann die einfachsten Wege nicht mehr ohne fahren – wir gewöhnen uns dran, dass jemand uns sagt, wo es langgeht.
Wir möchten Zeit zum Lernen und Verbessern haben.
Wir möchten die wertvolle Zeit für eigene To dos, Gedanken und Lösungsansätze steigern und somit die Qualität unserer Entscheidungen, unsere Autonomie, unsere Produktivität und somit unseren Output erhöhen. Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit, um uns mal in Ruhe zu sortieren, uns Gedanken zu machen, Prozesse in Ruhe zu überdenken, Taktiken zu überlegen, Lösungen und Strategien zu entwickeln, den smarten Weg zu finden oder einfach mal einen Haufen an Arbeit abzuarbeiten.

HOW
Welchen Tag nehmen wir? Montag, Dienstag oder Donnerstag? Was meint ihr? Was sind die Vor- und Nachteile für jeden Tag?
Dienstag
hat sich bei uns in der TAM durchgesetzt. Dienstag hatte den meisten Zuspruch, neben Montag die wenigsten Trainingstage und die gelisteten Nachteile sind grundsätzlich unspezifisch für den Wochentag Dienstag.
Kalender leeren.
Jeder soll innerhalb von vier Wochen diesen Wochentag von jeglichen Meetings mit anderen Kollegen und Kolleginnen (die verschiebbar sind) befreien. Logischerweise kann jeder diesen Tag so gestalten und sich eigene Zeitblocker setzen, wie er/sie sie braucht – nur eben das einfache "Zugreifen" auf andere Mitarbeitende ist an diesem Tag wie an einem Sonntag zu betrachten: Würde ich die Person jetzt auch auf einem Sonntag kontaktieren?

WHAT
Die Mönchtum Philosophie:
Wir schotten uns ab und schaffen uns einen Arbeitsort und ein Arbeitsumfeld mit geringster Ablenkung und maximaler Konzentration. Wir verbannen alles, was uns in irgendeiner Form unnötigerweise von der konzentrierten Arbeit ablenken kann.
- Der Tag hat kein synchrones Huddle, das Huddle wird aber in Slack gepostet.
- Andere Kollegen und Kolleginnen werden nur asynchron kontaktiert, sprich via Slack. Der Empfänger kann somit entscheiden, wann er seine Slack-Nachrichten checkt und antwortet.
- Nur, wenn etwas wirklich dringend ist, nicht warten kann und es eine schnelle Reaktion, Entscheidung oder Unterstützung bedarf, kann auch angerufen werden.
- In der Onboarding-Phase, bei „Werkis“ und „Praktis“ und in außergewöhnlichen Situationen können Sondervereinbarungen des Co-Workings etc. sinnvoll sein.
Bib-like Coworking @ TAM:
Wenn man z.B. zu Hause nicht gut tunneln kann oder Office-Vibes will, kann dieser Tag natürlich auch im Office verbracht werden – jedoch im absoluten Bib-Style! Leise, fokussiert, respektvoll für alle, die auch da sind und tunneln wollen.
Erholung & Privates:
Bitte entscheide selbst, was an diesem Tag das Richtige zu tun ist, damit es dir in deinem Job und als Individuum gut geht. Ggf. nutzt Du diesen Tag zusätzlich auch, um deinem Sport nachzugehen und private Themen unterzubringen, die dich ansonsten chronisch stressen, weil du sie an den anderen vollen Tagen nicht erledigt bekommst (Post, Friseur, Wohnungssuche, Golfen 😉). Tu was nötig ist, damit du dein Leben und deinen Job im Griff hast.
FAZIT nach dem ersten Monat
Das Ergebnis nach dem ersten Monat Probephase für den „No-Meeting Tuesday“:
- Stresslevel hat sich merklich reduziert
- Zeit für Deep work hat sich merklich erhöht
- Level an Überforderung hat sich merklich reduziert
- „Put Through“-Rate und Qualität des Outputs haben sich bei vielen Mitarbeitenden an der TAM Akademie merklich erhöht
FAZIT nach einem Jahr
Jetzt, nach einem Jahr, ist der „No-Meeting Tuesday“ ein fester Bestandteil der Arbeitswoche in der TAM Akademie. Interessanterweise ist die Versuchung dennoch immer wieder enorm hoch, den Tag nicht doch für interne Meetings zu nutzen. Hier standhaft zu bleiben ist für mich und für viele meiner Kollegen und Kolleginnen fast das Schwierigste an dem Konzept. Aber das ist nun mal der Preis der Selbstbestimmtheit: ohne gezwungen zu werden und entgegen den zig Versuchungen immer und immer wieder das Richtige richtig zu tun.
Über den Autor:
Lorenz Illing ist Geschäftsführer der TAM Trainer-Akademie,
zertifizierter Kommunikationstrainer mit tiefen Wurzeln in der
Digitalwirtschaft und im TAM Team bekannt für drei ausgeprägte
Leidenschaften: Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation und
Leadership. Sein beruflicher Erfahrungsschatz von über 10 Jahren birgt einen
spannenden Mix aus strategischem und operativem
Unternehmertum sowie Vertrieb. Nach seiner Banklehre erlernte
er die Kunst der Kundenkommunikation von einem der erfolgreichsten Finanzcoaches Deutschlands. Während seines
Studiums folgte die erste eigene Gründung, anschließend die
Leitung des Vertriebs von Justbook (heute Secret Escapes),
gefolgt von der Professionalisierung der Personalbe
ratung i-potentials und schlussendlich 2014 der Sprung in die
Selbstständigkeit als Trainer samt der Gründung seiner
Karriereberatung ‚TheLuckyPush‘.
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